Dr. Michael Wilk, Städtepartnerschaft Frankfurt -Kobane
Zum Krieg des türkischen Erdogan-Regimes gegen die Bevölkerung Nordostsyriens „Rojava“: https://www.youtube.com/watch?v=BxNILs9DJKA
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Dr. Michael Wilk, Städtepartnerschaft Frankfurt -Kobane
Zum Krieg des türkischen Erdogan-Regimes gegen die Bevölkerung Nordostsyriens „Rojava“: https://www.youtube.com/watch?v=BxNILs9DJKA
Dr. Michael Wilk Rojava / Nordostsyrien, Reisebericht Oktober 2023
Ein Krieg niedriger Intensität, staatlicher Terror als alltäglicher Zustand in Rojava. Die Angriffe der Türkei zielen, neben der Zerstörung von v.a. ziviler Infrastruktur, auf die mentale Verfasstheit der Bevölkerung.
Die Situation in Rojava, Nordostsyrien, hat sich in den letzten Wochen deutlich verschärft. Seit Anfang Oktober greifen Kampfflugzeuge und Drohnen der türkischen Armee verstärkt Menschen, Fahrzeuge und lebenswichtige Infrastruktur in dem autonomen, unabhängig vom Assad Regime verwalteten, Gebiet an.
Laut der Vertretung der Selbstverwaltung ergibt sich folgende Bilanz (Stand 19.10.2023): Bei 580 Luftangriffen wurden 44 Menschen getötet, darunter 2 Kinder, 55 wurden verletzt. 11 Kraftwerke wurden beschädigt, 2 Krankenhäuser (laut meinen Recherchen zum Zeitpunkt der Angriffe unbelegt) wurden zerstört, 48 Bildungsstätten wurden angegriffen, 1 Fortbildungszentrum einer Einheit für Anti-Drogen-Einsätze wurde bombardiert.
Als Begründung für die verstärkten Angriffe dient ein Anschlag der PKK am 1. Oktober 2023 in Ankara, bei dem die beiden Attentäter ums Leben kamen. Neben der Tatsache, dass die Menschen Rojavas nicht für den Anschlag verantwortlich sind, ist diese Begründung auch vor dem Hintergrund seit Jahren bestehender Angriffe und Invasionen auf Nordostsyrien zynisch. Seit der Selbstorganisierung der multiethnischen Bevölkerung im Norden Syriens, – hier leben neben kurdischen Menschen u.a. arabische, aramäische und jesidische Bewohner*innen, wird Rojava von der Türkei zunehmend attackiert.
Die Menschen Rojavas distanzieren sich nicht nur vom Assad-Regime und haben die Gleichberechtigung der Geschlechter eingeführt, sondern haben zudem, im Bündnis mit der Anti IS Koalition, die islamistische Terrororganisation IS militärisch zerschlagen. Das Erdogan Regime befahl mehrfach den Einmarsch in Nordsyrien, in Afrin 2018, ebenso wie die Invasion 2019. Die Überfälle hatten nicht nur zahlreiche Tote und Verletzte zur Folge, sondern trieben zudem Hunderttausende in die Flucht. Die Attacken des NATO Landes Türkei sind also mitnichten eine Reaktion auf ein aktuelles Ereignis, sondern finden schon seit Jahren statt.
Die aktuellen Angriffe durch das Nato Mitglied Türkei haben massive Auswirkung für die Bevölkerung, v.a. im Bereich der Energie- und der Wasserversorgung. War die Infrastruktur durch frühere türkische Angriffe auf Pumpstationen und die Niedrigregulierung des Euphrat bereits in einem schlechten Zustand, sind nun die Verhältnisse in Bereichen katastrophal.
Beim Besuch der Bürgermeisterinnen von Derik und Kobane wurden mir eindrücklich die Not und die Folgen für abertausende Menschen der Regionen geschildert. Zerstörte Pumpstationen und Leitungssysteme lassen die Versorgung durch Tankwagen notwendig werden. Noch funktionierende Pumpen sind durch zerstörte Kraftwerke nur noch mit Hilfe von Dieselgeneratoren zu betreiben. Zum Teil lassen sich die Schäden nicht beheben, da sie im direkten Feuerbereich türkischer Geschütze liegen.
Ganzer Bericht: https://frankfurt-kobane.org/dr-michael-wilk-rojava-oktober-2023/ Lies auch:“Erdogans unbeachteter“ Krieg https://www.tagesschau.de/ausland/asien/tuerkei-kurden-nordsyrien-100.html
„Die Bombardierung von Menschen und Einrichtungen im Nordosten Syriens durch die Türkei stellt derzeit die größte menschliche und gesundheitliche Belastung für die Bevölkerung in Rojava dar, erklärt der Wiesbadener Arzt Michael Wilk.
In der vergangenen Woche haben Menschen in aller Welt zehn Jahre Autonomie und Hoffnung in Nord- und Ostsyrien gefeiert, aber es waren auch zehn Jahre intensiven Drucks von allen Seiten und heftiger militärischer Verteidigung. Die AANES (Autonome Administration von Nord- und Ostsyrien) musste ihre Strukturen und Institutionen in einer Situation des unerbittlichen Kampfes aufbauen. In einem auf dem Onlineportal Medya News erschienenen Interview von Sarah Glynn erläutert der Arzt Dr. Michael Wilk, was dies für die Entwicklung und die Praxis der Gesundheitsversorgung bedeutet.
Michael Wilk ist politischer Aktivist und Schriftsteller sowie praktizierender Arzt in Deutschland und hat seine medizinischen Fähigkeiten eingesetzt, um Menschen dort zu unterstützen, wo sie am dringendsten gebraucht werden. Seit 2014 hat er in Nordsyrien die Kampfgebiete und die Lager für Binnenvertriebene besucht und eng mit Hevya Sor a Kurd, dem kurdischen Roten Halbmond, zusammengearbeitet.“
Interview anlässlich des zehnjährigen Bestehens von Rojava: https://anfdeutsch.com/kurdistan/gesundheitsversorgung-und-selbstverwaltung-interview-mit-dr-michael-wilk-33250
Orginalbeitrag auf Medya News in Englisch https://medyanews.net/a-doctor-in-rojava-an-interview-with-dr-michael-wilk/
Michael Wilk (Hrsg.)
„Erfahrung Rojava“
Berichte aus der Solidaritätsarbeit in Nord-Ostsyrien
Mit Beiträgen von Michael Wilk, Nujin, Torsten Lengfeld, Elke Dangeleit, Peng, Beriwan Al-Zin, Thomas Lutz, Meryem, Tom
Verlag Edition AV ISBN 978-3-86841-283-3 250 Seiten 18 € http://www.edition-av.de/
Das Gesellschaftsmodell Nord-Ostsyriens, die Organisierung basisdemokratischer Selbstverwaltung, der Anspruch einer Gleichberechtigung der Geschlechter ist eine Herausforderung, die großen Einsatz, Mut und Kraft auf Seiten der Menschen Rojavas erfordert. Das Ringen um Autonomie gegenüber dem Assad-Regime, der Kampf gegen den IS und die Bedrohung durch das türkische Erdogan-Regime belasten den Kampf um Freiheit und Selbstbestimmung. Solidaritätsarbeit ist ein wichtiger unterstützender Faktor in diesem Prozess. Wie sehen, empfinden und bewerten Menschen ihren Einsatz unter diesen Bedingungen, welche Ansprüche vertreten sie, was hat sie motiviert, beflügelt oder auch enttäuscht. Wie manifestiert sich der Prozess der Erfahrung des voneinander Lernens in und um die Bewegung in Rojava in den Herzen und Köpfen der Helfenden?
„Dicht neben der Corona-Kinik Washokani befindet sich ein Camp für Geflohene. Hier leben 14.000 Menschen in Zelten unter widrigsten Bedingungen. Ebenfalls bei Haseke, Großstadt/Umland mit ca. 1 Million Einwohner*innen, liegt ein weiteres Camp, Serekaniye mit 11.000 Bewohner*innen. Dieses zweite Camp ist benannt nach der Stadt gleichen Namens, die im Oktober 2019 von türkischer Armee und islamistischen Truppen des Präsidenten Erdogan erobert wurde. Serekaniye war eine schöne, mehrheitlich kurdisch bewohnt Stadt, direkt an der Grenze der Türkei gelegen. Auf der anderen Seite der politischen Demarkationslinie leben ebenfalls kurdische Menschen, getrennt von ihren Verwandten in Syrien, durch eine von Siegermächten nach dem Ende des osmanischen Reichs gezogene Grenze….“ https://aku-wiesbaden.info/4-bericht-rojava-syrien-von-dr-michael-wilk/
Allein in den Camps Washokani und Serekaniye bei Haseke leben immer noch 25.000 Geflohene.
Vertrieben wurden sie durch die Invasion der türkischen Armee auf Befehl Erdogans im Oktober 2019. Zusätzlich ist die Lage der Menschen durch die Coronapandemie belastet. Impfstoff fehlt.
„Seit April steigen die Infektions- und Erkrankungsraten rapide. Ich bin in der Corona-Klinik des Kurdischen Roten Halbmonds in Haseke. Die Klinik wurde schon im Laufe des letzten Jahres eingerichtet um der Pandemie begegnen zu können. In der Not wurde eine ehemalige Hühnerfarm gereinigt und umgebaut. Ein Trakt dient zur Aufnahme, bei positivem PCR Test werden Erkrankte in den anderen verlegt. Von 85 Betten sind zzt. 36 mit schwer erkrankten Patien*innen belegt. Schwestern, Pfleger und Kolleg*innen arbeiten im Schichtsystem rund um die Uhr, wie üblich. Der Bitte den hier tätigen Kolleg*innen beratend zur Seite zu stehen komme ich gerne nach, muss jedoch schnell feststellen, dass die therapeutischen Spielräume völlig ausgereizt sind. Meine jahrelange Intensiv- und notfallmedizinische Erfahrung nutzt nichts, alle arbeiten bereits am Limit der Möglichkeiten…“ https://aku-wiesbaden.info/2-bericht-aus-rojava-syrien-von-dr-michael-wilk/
Situation im Camp f. Geflohene, Al Hol, Demokratische Föderation Nord/Ostsyrien, Rojava
Die Bedingungen im Camp Al Hol haben sich seit meinem letzten Aufenthalt Anfang des Jahres nicht geändert. Immer noch leben über 70.000 Menschen, davon extrem viele Kinder und Jugendliche, unter schwierigsten Bedingungen im Camp. Zur Zeit herrschen extreme Temperaturen über 40 Grad im Schatten. Schlimmer ist jedoch die Perspektivlosigkeit und der Mangel von Schulen und Weiterbildung. Ganz zu schweigen von einer notwendigen Auseinandersetzung mit der erlebten IS- Herrschaft.
In dem Lager für Geflohene befinden sich Opfer des IS, aber auch Tausende überzeugte IS-Anhängerinnen, die getrennt von ihren anderenorts inhaftierten Männern, auf engstem Raum lebend, die in ihren Köpfen verankerte IS-Ideologie hochhalten.
Die Versorgung mit Wasser und Nahrungsmitteln durch das UNHCR ist gesichert und NGOs wie der Kurdische Rote Halbmond, MSF, Cadus und Medico International geben ihr Bestes für die schwierige medizinische Unterstützung. Das existentielle Problem, wie mit sowohl den erlittenen Traumata, als auch der fixierten IS-Ideologie umzugehen ist, bleibt jedoch vorerst ungelöst. Das wiederum ist brandgefährlich. Denn ohne Schaffung von Perspektiven und ohne psycho-soziale Programme zur Auseinandersetzung mit dem IS, droht das Camp zu einem Reproduktionsort der faschistoid-islamistischen Ideologie zu werden.
Ein notwendiger erster Schritt wäre die Übernahme ausländischer IS-Angehöriger in ihre Herkunftsländer. Eine Aufgabe, vor der sich europäische Staaten drücken und damit die kurdische Selbstverwaltung einmal mehr alleine lassen.