„Corona, Gesundheitswesen und Herrschaftsverhältnisse“

„Gesundheit und Gesundheitsvorsorge, Krankheitsbekämpfung oder Seuchenbekämpfung darf prinzipiell nicht etwas sein, was sich an Profitmargen orientiert, sondern muss sich an Notwendigkeiten der Versorgung orientieren. An nichts anderem,“ sagt der Wiesbadener Arzt und Notfallmediziner Michael Wilk. Ein Interview von Medienkollektiv Frankfurt https://youtu.be/9_FCku4fM_w

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Im März 2022 haben wir Michael Wilk getroffen und mit ihm über weltweite Gesundheitsfürsorge, Privatisierung des Gesundheitswesens und Handlungsoptionen im Kampf für mehr Gerechtigkeit gesprochen. Die kapitalorientierte Verteilung von Impfstoffen und die Blockierung der Freigabe von Patenten seien dabei nur ein Teil des Problems. Grundsätzlich sei es notwendig, Macht- und Herrschaftsverhältnisse im weltweiten Gesundheitssektor kritisch zu hinterfragen. Mit Blick auf die desolaten Zustände in behelfsmäßig errichteten Coronakliniken in Rojava, in denen er als Notfallmediziner hilflos Menschen beim Sterben zusehen musste, erscheint ihm die von Schwurbler_innen befeuerte Diskussion rund um das Impfen als Luxusproblem. Doch was braucht es für einen Wandel? Zunächst einmal sei es notwendig, sich nicht auf dem verhältnismäßig hochwertigen Gesundheitssystem Deutschlands auszuruhen. Eine stärkere gewerkschaftliche und gesellschaftliche Organisation, mehr Personal und bessere Bezahlung sieht Wilk als Schlüssel.

Nothilfe in Nordsyrien – „Sogar eine Hühnerfarm wird Corona-Klinik“

Datum:
22.04.2021 18:59 Uhr

Unter Kriegsbedingungen und mit äußerst limitierten Mitteln leisten Mediziner im Nordosten Syriens Corona-Nothilfe. Der deutsche Arzt Michael Wilk unterstützt sie vor Ort.


https://www.zdf.de/nachrichten/panorama/corona-nordsyrien-notsituation-wilk-100.html?fbclid=IwAR0qTpYQr607hNQuw-0mN7f_Hy9WdDezQuZdqRQUNCZg_QEf59vgAQSZIkw

Dr. Michael Wilk 20. April 21 Haseke Nord/Ostsyrien Rojava

„Dicht neben der Corona-Kinik Washokani befindet sich ein Camp für Geflohene. Hier leben 14.000 Menschen in Zelten unter widrigsten Bedingungen. Ebenfalls bei Haseke, Großstadt/Umland mit ca. 1 Million Einwohner*innen, liegt ein weiteres Camp, Serekaniye mit 11.000 Bewohner*innen. Dieses zweite Camp ist benannt nach der Stadt gleichen Namens, die im Oktober 2019 von türkischer Armee und islamistischen Truppen des  Präsidenten Erdogan erobert wurde. Serekaniye war eine schöne, mehrheitlich kurdisch bewohnt Stadt, direkt an der Grenze der Türkei gelegen. Auf der anderen Seite der politischen Demarkationslinie leben ebenfalls kurdische Menschen, getrennt von ihren Verwandten in Syrien, durch eine von Siegermächten nach dem Ende des osmanischen Reichs gezogene Grenze….“ https://aku-wiesbaden.info/4-bericht-rojava-syrien-von-dr-michael-wilk/ 

Rojava Nord/Ostsyrien 20. April 21 Dr. Michael Wilk, Situation der Geflohenen in Haseke und die herrschende Coronapandemie

https://www.youtube.com/watch?v=NoVm7juAFCM

Allein in den Camps Washokani und Serekaniye bei Haseke leben immer noch 25.000 Geflohene.
Vertrieben wurden sie durch die Invasion der türkischen Armee auf Befehl Erdogans im Oktober 2019. Zusätzlich ist die Lage der Menschen durch die Coronapandemie belastet. Impfstoff fehlt.

Dr. Michael Wilk, 15. April 21, Rojava Nord/Ostsyrien Corona Situation

https://www.youtube.com/watch?v=732b5Solekc

Corona Krankenhaus des #Kurdischen_Roten_Halbmonds bei Haseke. Die Mitarbeiter*Innen von #Heyva_sor_a_kurd#kurdish_red_crescent arbeiten unter höchstem Einsatz an der Rettung der Erkrankten. Die medizinischen Behandlungsmöglichkeiten sind aufgrund der allgemeinen Lage eingeschränkt. Geimpft ist niemand, Vaccine wird dringend benötigt.

Dr. Michael Wilk 14.4.21 Haseke Nord/Ostsyrien #Rojava


„Seit April steigen die Infektions- und Erkrankungsraten rapide. Ich bin in der Corona-Klinik des Kurdischen Roten Halbmonds in Haseke. Die Klinik wurde schon im Laufe des letzten Jahres eingerichtet um der Pandemie begegnen zu können. In der Not wurde eine ehemalige Hühnerfarm gereinigt und umgebaut. Ein Trakt dient zur Aufnahme,  bei positivem PCR Test werden Erkrankte in den anderen verlegt. Von 85 Betten sind zzt. 36 mit schwer erkrankten Patien*innen belegt. Schwestern, Pfleger und Kolleg*innen arbeiten im Schichtsystem rund um die Uhr, wie üblich. Der Bitte den hier tätigen Kolleg*innen beratend zur Seite zu stehen komme ich gerne nach, muss jedoch schnell feststellen, dass die therapeutischen Spielräume völlig ausgereizt sind. Meine jahrelange Intensiv- und notfallmedizinische Erfahrung nutzt nichts, alle arbeiten bereits am Limit der Möglichkeiten…“ https://aku-wiesbaden.info/2-bericht-aus-rojava-syrien-von-dr-michael-wilk/

Aktueller Bericht aus Rojava/Syrien von Dr. Michael Wilk

Dr. Michael Wilk, Qamislo/Haseke 13.4.2021

Die Anreise in die demokratische Föderation Nordostsyrien war unter Coronabedingungen noch komplizierter als gewohnt. Nun bin ich vor Ort, die Wiedersehensfreude mit den Freund*innen des kurdischen Roten Halbmonds (Hsak) ist groß. Seit 2014 unterstütze ich die Arbeit dieser NGO, die sich im Laufe derJahre von ca. 50 Menschen auf über 2000 Aktive erweiterte. Diese leisten ausgezeichnete und unentbehrliche Arbeit, betreiben das Rettungswesen, Kliniken und Ambulatorien. Heyva sor a kurd arbeitet hierbei unabhängig, aber in enger Koordination mit der Gesundheitsselbstverwaltung der Region Rojava. Dem Gebiet im Norden Syriens, das unter großen Anstrengungen versucht einen eigenen selbstbestimmte Weg zu gehen, geprägt von basisdemokratischen Prinzipien und der Gleichberechtigung von Mann und Frau. Die  Bevölkerung behauptete sich nicht nur gegen den mörderischen Islamismus des IS, sondern wahrt Distanz und Opposition gegenüber dem totalitären Assad-Regime. Als propagandistisches Hass-Objekt des türkischen Erdogan-Regimes ist die mehrheitlich kurdische aber auch multiethnische Region seit Jahren den Attacken und Invasionen der türkischen Armee ausgesetzt. Das Leben in Rojava leidet unter Krieg, Vertreibung und der z.T. immer noch zerstörten Infrastruktur. Zusammen mit der angestammten Bevölkerung leben abertausende Menschen, die aus anderen Teilen Syriens hierher flohen. Die Perspektive der Menschen, v.a. der Kinder und Jugendlichen, ist angesichts dieser Bedingungen extrem schwierig, der Wiederaufbau von Schulen und Universitäten erfordert großen Einsatz und Kreativität. Nun belastet zusätzlich Corona den Lebensalltag der Menschen. Die Pandemie zwingt, ausgelöst durch die aktuell extrem gestiegenen Infektionsraten, zu harten Konsequenzen. Die Großstädte Qamislo u Haseke sind im strikten Lockdown, Läden, Büros und Betriebe sind geschlossen, nur Lebensmittel und anderes Notwendiges ist zugänglich, die sonst von dichtem Verkehr belasteten Straßen der Großstädte sind gespenstisch leer. Das Wiederaufflammen der Seuche ist nicht nur auf diverse Feiern und Feste im März zurückzuführen, vermutet wird ebenso die möglicherweise aus dem Irak eingeschleppte britische Mutante. Die Corona Notrufzentrale des Kurdischen Roten Halbmonds ist rund um die Uhr besetzt, Teams arbeiten mit Hochdruck an der Bearbeitung der Anrufe. Im Falle klarer Krankheitsbilder erfolgt ein PCR Test, bei gesichertem Befund von Covid-19 bei weniger schweren Symptomen häusliche Quarantäne. Eine stationäre Versorgung ist möglich, „Coronabetten“ mit Sauerstoffflaschen, vielleicht 500 insgesamt, wurden an verschiedenen Schwerpunkten eingerichtet. Eine wahre Sisyphos-Aufgabe. Es wird versucht dem eklatanten Mangel an Geräten und medizinischen Material durch Enthusiasmus und Improvisation zu begegnen. Es fehlt jedoch an geeigneten Beatmungsgeräten und an spezialisiertem Personal. Niemand hier ist bislang geimpft- ich hingegen habe das Privileg des früh priorisierten mitteleuropäischen Notfallmediziners.  Bisher wurden weltweit ca. 2/3 der Vaccine an nur sechs Länder geliefert,  andernorts brennt die Luft, so auch hier: Vaccine werden dringend benötigt, Schnelltests sind nicht vorhanden, auch FFP-Masken sind Mangelware, Kolleg*innen arbeiten ohne Impfschutz mit hochinfektiösen Patient*innen. Es droht zudem ein Mangel an PCR-Tests. 

Es ist bitter, der Einsatz und die Verteilung der Vaccine spiegeln nicht zuletzt auch die weltweiten Macht-, Privilegien- und Herrschaftsverhältnisse wieder. Eine erste Lieferung der WHO soll im Mai in Syrien eintreffen, von denen ein Teil in den selbstverwalteten Gebieten Nordostsyrien zur Bekämpfung der Pandemie eingesetzt werden soll. Die Lieferung soll für gerade einmal 2% der Bevölkerung reichen und besonders gefährdete Personen vor Covid schützen. https://aku-wiesbaden.info/aktueller-bericht-aus-rojava-syrien-von-dr-michael-wilk/