Rede Dr. Michael Wilk
Kundgebung am 26.10.2024, Stuttgart Schlossplatz
Die AfD steht in besonderer Form für Rassismus, Antifeminismus, Antisemitismus und eine Leugnung der Verbrechen des Nationalsozialismus. Faschistische Positionen werden offen vertreten. Die AfD greift das Prinzip der Menschenwürde frontal an. Die AFD hetzt, spaltet, lügt.
Über das Verbreiten von Bedrohungs-Legenden hat sie es geschafft, vor allem in der Hetze gegen Geflohene, rassistisch-nationale Stimmung anzuheizen. Sie ist längst gefährlicher Schrittmacher völkisch-totalitärer Ideologie.
Wir sagen: Die AfD darf nicht an die Schalthebel der Macht gelangen.
Wer Faschisten wählt, unterstützt Faschisten. Faschismus ist keine Meinung – und auch kein Ausdruck von Protest- sondern ein Verbrechen.
Doch nationalistisch-rassistische Propaganda und menschenfeindliche Politik sind kein Alleinstellungsmerkmal der AFD.
Sie ist nur die Spitze des Eisbergs.
Zunehmende Enthemmung und steigender Alltagsrassismus reicht im Denken- und Handeln längst bis in alle Bereiche der Gesellschaft.
Diskriminierende Botschaften, rassistische Impulse, chauvinistische Interpretationen und Lügen werden (nicht nur in sozialen Medien) aufgegriffen, hunderttausendfach verstärkt und verbreitet. Die daran beteiligten „ganz normalen“ Menschen sind keine Opfer im Sinne einer Verblendung, sondern Agierende eines massenpsychologischen Prozesses, in dem Rassismen, „alternative Fakten“ und Verschwörungstheorien, sozial vernetzte, gefährliche Dynamik entfalten. Sie finden Ausdruck in „Deutschland den Deutschen“ singenden Wohlstandskids (und das nicht nur auf Sylt), an Stammtischen und am Arbeitsplatz.
Es geht also nicht mehr nur um plumpe Faschismus-Parolen, sondern um die subtilen Alltagschauvinismen, durch die sich Verrohung und Unmenschlichkeit etablieren!
Die menschenfeindlichen Positionen der AfD sind längst in der Mitte der Gesellschaft angekommen. Auch die etablierten Parteien (ob Regierung oder Opposition, incl. das Bündnis Sarah Wagenknecht) sind hier keine Ausnahme. Sie bedienen sich inzwischen der Impulse, die von rechts außen geliefert werden.
Seien es die Absurditäten eines Friedrich Merz, der von „Zahnarztterminen Deutscher, blockiert durch migrantische Menschen, die sich auf unsere Kosten die Zähne richten lassen“ schwafelt oder die von Wagenknecht beschworenen nationalen „gemeinsamen Identitäten“. Zwar distanzieren sich Parteien wortreich von den undemokratischen Absichten der AFD, fischen jedoch selbst populistisch im Trüben und übernehmen de Facto zunehmend Positionen und Inhalte. Die oft zu hörende Behauptung, damit den Zustrom zu der offen mit faschistischen Parolen agierenden AFD ausbremsen zu können, ist gefährlich und falsch.
Es zeigt sich vielmehr ein breites gefährliches Aufgreifen und Reproduzieren rassistisch-nationalistischer Muster. Die Absicht sich selbst durch „Deutschsein“ oder Deutsche -Identität aufzuwerten und Überlegenheitsgefühle zu wecken, ist angesichts der deutschen Historie geradezu bizarr, ekelhaft und verwerflich genug. Sie wird jedoch erst richtig brisant durch die damit zwangsläufig verbundene Abwertung anderer, eben sogenannter „Nicht-deutscher“.
Wir sagen an dieser Stelle ganz klar: Die Übernahme völkischer Argumentation (z.B. dem Narrativ von der Schwächung deutscher Sozialsysteme durch Geflohene, oder die zunehmende generalisierte Abwertung von Migrant*Innen) dient nicht der Bekämpfung, sondern führt zur Legitimierung menschenfeindlicher Ideen.
Wir stehen dagegen und sagen: Nein!
Die populistische Übernahme totalitär-rechter Parolen hat fatale Folgen: Sie führt nicht nur zur gesellschaftlichen Verfestigung dieser unmenschlichen Ideen, sondern sie mündet auch in unmenschlichen Entscheidungen. Die Folge ist eine klar erkennbare Beschädigung demokratischer Prinzipien, Menschenrechten und sozialer Sicherung. Zu Tage tritt zunehmend eine Politik, die schon vor der drohenden weiteren Etablierung der AfD, deren menschenfeindliche Parolen politisch umsetzt.
Am deutlichsten zeigt sich der politische Vollzug von Spaltung und Hetze im Umgang mit Geflohenen. (Ich bin seit Jahren als Notarzt immer wieder in Kriegszonen des Nahen Ostens aktiv.) Ich erlebe, dass Menschen aus guten Gründen und existenzieller Not die Risiken der Flucht auf sich nehmen. Anstatt jedoch die Fluchtursachen zu bekämpfen, nehmen staatliche Maßnahmen zunehmend die Geflohenen ins Visier.
In Hetzkampagnen werden Menschen, die z.B. aus den Kriegszonen Syriens, vor totalitären Regimen oder auch aus den Hungerregionen Afrikas unter Einsatz ihres Lebens über das Mittelmeer fliehen, zu einer Bedrohung des „Abendlandes“, zu „Dauerschmarotzern“ und zu generell Kriminellen aufgebaut. Flucht und Migrationsgründe spielen im Diskurs keine Rolle mehr. Mit fatalen Folgen: Geflohene werden abgewiesen, Todesgefahren ausgesetzt, oder der Versklavung in lybischen Lagern überantwortet. Europas Politik gegenüber Geflohenen und Migrierenden ist tödlich, ja mörderisch. Wir reden von Tausenden die im Mittelmeer ertrinken. (30.000 seit 2014 offiziell-bei extremer Dunkelziffer)
Wer so agiert, wird auch den Einsatz von Schusswaffen (der schon jetzt vorkommt) gegen Menschen auf der Flucht forcieren.
Doch wen schert es? Die moralischen Maßstäbe des Regierungshandelns ändern sich unter populistischer Dynamik radikal.
Die postulierten Ansprüche sozial und demokratisch zu handeln (SPD) oder gar feministische Außenpolitik zu praktizieren (Baerbock) werden zu sinnentleerten zynisch klingenden Worthülsen. (Wofür steht das C in der CDU?)
Längst werden Tausende Ertrunkene mit einem Achselzucken kommentiert, Internierungslager auch für Familien mit Kindern an den Grenzen und an Flughäfen forciert, Abschiebungen nach Albanien oder Afrika als gangbare Option gesehen. Was wir erleben, ist eine barbarische Verrohung, ein skrupelloses über Bord werfen humanitärer Ansprüche.
Die für diese Strategie verantwortlichen Politiker*innen als auch der applaudierende Mob, fühlen sich im Recht: Die zufällige Gnade einer Geburt in Mitteleuropa berechtigt offensichtlich dazu, seinen Besitz- und Wohlstand hemmungslos zu verteidigen. Rechtstaatlichkeit wird populistisch-rechten Prämissen angepasst, humanitäre Werte werden nur noch dann gefordert, wenn es den eigenen Machtinteressen dient.
Wir sagen hingegen: Die zufällige Gnade in Europa geboren zu sein, berechtigt uns nicht zu verantwortungslosem, unmenschlichen Handeln. Angezeigt ist vielmehr eine gewisse Demut, und ein Handeln in Mitverantwortung gegenüber anderen.
Vorerst werden vor allem Fremde und Geflohene zu Opfern rassistisch-nationaler Bedrohungsszenarien, doch schon zeigen sich üble Reaktionen auch auf andere, die als Minderheiten zu Störenfrieden der „gesunden“ sozialen Gemeinschaft erklärt werden:
Sozialhilfeempfangende, LGBTQ-Menschen, Wohnungslose, zunehmend auch Menschen mit Behinderung werden nicht mehr als Mitmenschen wahrgenommen, sondern als anders, minderwertig und nachrangig.
Minderheiten bieten sich als Sündenböcke für soziale Ängste an, die nicht selten ihren Ursprung in ganz realen gesellschaftlichen Problemen haben: Billiglöhne, Altersarmut, Gentrifizierung, ein sich rasant verknappender und verteuernder Wohnungsmarkt, um nur einige zu nennen.
Faschistische Ideologie bietet hier Scheinlösungen an. Sie klassifiziert Menschen in wertvolle und unwerte, grenzt ein und aus, definiert ein oben und unten. Es liegt an uns dieser Extremform des Sozialchauvinismus Einhalt zu gebieten.
Gegen den Reflex einer Ellenbogengesellschaft, die Solidarität zum Unwort erklärt und den Blick auf die eigentlichen Verhältnisse trübt: Dass es mehr als genug für Alle gäbe, wäre der Reichtum nur anders verteilt.
Wir erteilen totalitären „Lösungen“ und autoritärem Denken und Handeln eine Absage. Wir setzen auf Menschlichkeit und verantwortliches Handeln. Wir lehnen Faschismus, Nationalismus und Rassismus ab. Ausgrenzung und Entwertung anderer Menschen darf niemals die Antwort auf die sich zuspitzende gesellschaftliche Situation sein. Klimakatastrophe, Verarmung, Totalitarismus und Kriege bekämpfen – nicht die Betroffenen.
Ich danke euch…